Anonymous

[BlueRocco]

Ich klink mich hier jetzt mal ein, um mal von einer etwas anderen Perspektive dieser "Internet-Revolution" (oder wie auch immer man es nennen mag) zu berichten.

Wahrscheinlich ist das in Deutschland kein mediales Ereignis gewesen, deswegen möchte ich euch kurz aufklären, um was es geht:
"AnonAustria", die sich selbst als Abteilung/Splittergruppe/Zelle/Sympathisant/whatever von Anonymous ausgibt, hat am 22. Juli einen Server der GIS gehackt und 214.000 Kunden-Datensätze kopiert. Die GIS (GebührenInfoService) ist ein Tochterunternehmen des ORF (Österreichischer Rundfunk, also das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Österreich) und zuständig für das Einheben der gesetzlich festgelegten Gebühren. Jeder Österreicher, der einen Fernseher und damit die Möglichkeit hat ORF zu empfangen, ist gesetzlich dazu verpflichtet sich selbstständig anzumelden und einen Betrag von durchschnittlich 22€ (es gibt zwischen den Bundeländern leichte Differenzen, also von 18,61€ bis 23,71€ je nach Wohnort) im Monat an die GIS zu entrichten.
Die Datensätze beinhalten Vor- und Nachname, Wohnadresse, Geburtsdatum, Telefonnummer und bei denjenigen Gebührenzahlern, die diese Anmeldung online durchgeführt haben, auch noch die Bank-/Kontodaten die für einen Abbuchungsauftrag von Nöten sind.

Nun bin ich einer dieser Datensätze, die gestohlen wurden (wurde von der GIS per Schreiben informiert), glücklicherweise ohne Kontodaten, da ich nicht online angemeldet habe.
Das bedeutet aus meiner Sicht, dass nun irgendjemand, dessen Motive ich nur über Twitter in Erfahrung bringen kann, meine Adresse und Telefonnummer hat.
Toll! Es lebe die Revolution. Und nun? So wie ich das verstehe, will AnonAustria mit dieser Aktion darauf aufmerksam machen, was nicht alles über mich gespeichert wurde (Stichwort: Sensibilisierung in Sachen Datenschutz)... die Überraschung blieb bei mir jedoch aus, da ich leider schon vorher wusste, dass diese Daten über mich gespeichert wurden, da ich diese Daten ja WISSENTLICH der GIS übermittelt habe!!!
Und mal ganz ehrlich... warum sollte ich einem Tweet auf Twitter der besagt "Wir werden eure Daten natürlich NICHT missbräuchlich verwenden!" mehr trauen als den Datenschutzrichtlinien eines öffentlich-rechtlichen Unternehmens??? Mit anderen Worten: bei der GIS weiß ich, wofür meine Daten benutzt werden, beim Hacker weiß ich das mit Sicherheit nicht!

Ich mache mir jetzt keine Sorgen, dass jemand mit meinen Daten jetzt was hoch-kriminelles anstellen wird... um es mal sehr salopp zu formulieren: der Hacker hat jetzt meine Adresse... wenn er mich besuchen will und mir am Nerv geht, gibts eine aufs Maul und die Sache ist erledigt ... ne Scherz, ich will damit nur verdeutlichen, dass es mir weniger schmeckt, dass ein praktisch virtuelles Individuum UNERLAUBT meine Daten besitzt als eine Einrichtung, an die ich diese Daten WISSENTLICH weitergegeben habe.

Wenn das die Vorgehensweise dieser Revolution sein soll, dann prophezeie ich, dass das nichts wird... weil der kleine einzelne Bürger und Steuerzahler fühlt sich durch solche Freigeister mehr bedroht als durch die, gegen die es sich aufzulehnen gilt. Und die "eigenen Leute" zu verwirren, kann doch nicht das Ziel der "Aufständischen" sein, oder?

Ich finde, man muss sehr kritisch zwischen den einzelnen Aktionen differenzieren. Ich glaube jedenfalls, dass ein DDoS auf Paypal wegen Nicht-Weiterleitung von Spenden an Wikileaks (oder ähnliche solcher Aktionen) um einiges wirksamer ist als das ausspionieren von Kundendaten... Wenn Paypal lahmgelegt ist, dann hat das realwirtschaftliche Konsequenzen (Ausfall eines Teils des Zahlungsverkehrs im Internet), hingegen bleibt der Datenklau weitestgehend virtuell, weil im Endeffekt nur die Telefon-Service-Line des ausspionierten Unternehmens glüht (also ein paar Mitarbeiter zu Überstunden gezwungen werden), sonst passiert ja nicht wirklich etwas.

Mir ist schon klar, dass ich mich als "Bestohlener" mehr mit diesem einen Vorfall beschäftige als mit den sonstigen "großartigen Taten" von Anonymous oder auch LulzSec und das dieser "Einzelfall" (214.000 Leute von knapp 7 Milliarden Einwohnern auf diesem Planeten) eigentlich nicht ins Gewicht fällt. Aggregiert man dieses eine Empfinden des einzelnen jedoch hoch auf "alle", könnte ich mir durchaus vorstellen, dass eher ein Unmut als eine Befürwortung für solche Aktionen entsteht... Das ist aber eher meine persönliche Einschätzung als eine auf Daten basierte Behauptung...

Just my 2 Cents...